Skip to content

Sicherer Zufahrtsschutz für Kommunen: Beitrag im Fachmagazin der bauhofLeiter

Sicherer Zufahrtsschutz

Öffentliche Veranstaltungen absperren

Nach den Anschlägen in den vergangenen Jahren mit Fahrzeugen im öffentlichen Raum rückte eine Frage stark in den Fokus: Wie gelingt der Schutz von potenziell gefährdeten Veranstaltungsorten und der sich dort aufhaltenden Personen? Antworten darauf haben Dennis Eichenbrenner vom Bundesverband Veranstaltungssicherheit und die Polizeibehörde Hessen.

Dieses Jahr reden wir viel über Zufahrts­ schutz. Das liegt daran, dass es zwi­ schen Dezember 2024 und Februar 2025 zwei Anschläge mit Pkw gab. Die Ausei­ nandersetzung mit dem Thema ist wich­ tig, aber ich habe jetzt schon ein paar Mal erlebt, dass in einem Anflug von Enthusiasmus für viel Geld Fahrzeug­Blo­ ckier­Systeme gekauft wurden, die für die Veranstaltungen vor Ort nicht wirklich ge­ eignet waren“, sagt Dennis Eichenbrenner, Vorsitzender des Bundesverbands Veran­ staltungssicherheit e.V. (BVVS). Daher ra­ ten er und die hessische Polizei dazu, vor der Anschaffung einzelner Sicherheitsbar­ rieren ein Konzept für den Zufahrtsschutz mit unterschiedlichen Analysen und Ab­ wägungen im Vorfeld zu treffen und die­ ses mit dem Veranstalter, den jeweiligen Stadt­ und Gemeindeverwaltungen, poli­ tischen Gremien, Polizei, Feuerwehr sowie Rettungsdiensten zu erörtern. Denn die Verantwortung für die Planung, Gestal­ tung und Sicherheit öffentlicher Räume tragen verschiedene Akteure.

Schutzkonzepte erarbeiten

Eine erste Risikobewertung des Veranstal­ tungsorts und Einschätzung des politischen sowie religiösen Gefährdungspotenzials nimmt zunächst die örtliche Polizeidienst­ stelle vor. Denn: Potenzielle Täter bevorzu­ gen öffentliche Räume für Überfahrtaten, die ein möglichst großes Schadensmaß bei hoher Eintrittswahrscheinlichkeit bewir­ ken. Im Fokus stehen somit insbesondere stark frequentierte, leicht zugängliche öf­ fentliche Räume mit Symbolkraft, heißt es im Leitfaden „Schutz vor Überfahrtaten“. In Hessen findet darüber hinaus eine kriminalpräventive städtebauliche Schwachstellenanalyse des Schutzraums sowie eine Beratung bei der Auswahl von Absperrsystemen statt.

„Die Polizei berät, verfügt aber nicht über eine Entscheidungsgewalt. In der Regel heißt es bei kommunalen Anfragen: Es gibt eine abstrakte Gefährdungslage, aber keine konkrete. So spielen leider viele Dienststel­len den Ball wieder zurück zu den anderen Akteuren“, kritisiert Dennis Eichenbrenner. Vor allem kleinere Gemeinden und Städte, die zum ersten Mal mit Zufahrtsschutz­ maßnahmen konfrontiert werden, stehen vor einer Herausforderung: Sie müssen das grundsätzliche Interesse an der Durchfüh­ rung von Veranstaltungen und die Belange der Sicherheit in Einklang bringen. Oft sind sie bei der Ausarbeitung eines geeigneten Konzepts für Weihnachtsmärkte, große Sportveranstaltungen oder Straßenfeste auf sich allein gestellt. Dabei obliegt ihnen die Federführung und Verantwortlichkeit im gesamten Zufahrtssschutzprozess, beto­nen BVVS und die hessische Polizei.

 

„Es gibt unter anderem im Boden fixierte Parkbänke, Müllbehälter oder XXL-Blumenkübel, die über einen gewissen Anprallschutz verfügen.“

Dennis Eichenbrenner

Vorsitzender des Bundesverbands Veranstaltungssicherheit e. V.

 

Individuelle Situation vor Ort

Mangelt es an Expertise, empfiehlt Eichen­ brenner, einen qualifizierten und hersteller­ unabhängigen Fachplaner zu engagieren, der die Situation vor Ort individuell betrach­ tet. Für den Kölner Weihnachtsmarkt seien nun mal andere Sicherheitsmaßnahmen not­ wendig als für ein Feuerwehrfest in einem kleinen Dorf. Man könne z.B. ein kleines Schutzziel definieren und lediglich regulä­ re Verkehrswege gegen das Einfahren von Fahrzeugen absichern oder aber ein großes, bei dem alle denkbaren Zuwege gegen die Zufahrt von Pkw und Lkw geschützt wür­ den. Von einfachen Maßnahmen bis hin zu einem komplexen Maßnahmenpaket wäre alles möglich. Ob und welche Sicherheits­ maßnahmen erforderlich seien, könne aber erst nach dem Ergebnis der Gefährdungs­ analyse beantwortet werden.

Neben den genauen Standortfaktoren und Zufahrtsmöglichkeiten müssen dafür laut der Polizei Hessen weitere Aspekte berücksichtigt werden, etwa die Anzahl der Besucher und die Besonderheiten der Veranstaltung, die Häufigkeit von Veran­staltungen an einem bestimmten Ort, die Bedeutung des Veranstaltungsorts, Flucht­ und Rettungswege, Anfahrtsmöglichkeiten für Fahrzeuge sowie die verkehrliche und stadträumliche Situation. Für die Zufahrts­ schutzmaßnahmen sollten ferner folgende Fragen beantwortet werden: Welche Art der Schutzmaßnahmen (stadtbildverträg­ lich, mobil, stationär) sind gewünscht bzw. erforderlich? Wie sind die Untergründe beschaffen, auf denen sie platziert werden sollen, und welche Tiefbaubedingungen liegen vor? Wo können die Absperrsysteme gelagert und wie transportiert werden? Wer übernimmt später die Instandhaltung und Pflege?

Wer sich nach Schutzelementen erkundigt, findet mittlerweile ein umfangreiches Port­ folio. „Grundsätzlich gibt es unterschiedli­ che Lösungen für Maßnahmen im Bereich ‚Zufahrtsschutz‘. Zum einen werden soge­ nannte ‚mobile‘ Sperren als temporäre Ab­ sicherungen für zeitlich begrenzte Veran­ staltungen wie Sportevents oder Umzüge verwendet, zum anderen ‚fest‘ eingebaute Sperren als dauerhafte Absicherung für regelmäßig wiederkehrende Events an be­ stimmten Standorten, z.B. bei Weihnachts­ märkten oder Kulturveranstaltungen“, er­ klärt die Polizeibehörde auf ihrer Homepage.

Schutzelemente kombinieren

Viele Gemeinden und Städte nutzen zu­ dem zertifiziertes Stadtmobiliar, um bau­ liche Lösungen für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum umzusetzen. „Es gibt unter anderem im Boden fixierte Park­ bänke, Müllbehälter oder XXL­Blumen­ kübel, die über einen gewissen Anprall­ schutz verfügen und damit beispielsweise eine Einkaufszone für Fußgänger sicherer machen, oder auch topografische Barrie­ ren wie Gräben, Wasserflächen oder Be­ pflanzungen“, weiß der Vorsitzende des BVVS. In den meisten Fällen wirken meh­rere Schutzelemente zusammen. Hilfreich kann auch die DIN SPEC 91414­2 sein, sagt er. Diese befasst sich mit der Aus­ wahl von geprüften Fahrzeugsicherheits­barrieren bei der Erstellung von Anfahrt­schutzkonzepten und berücksichtigt dabei die Stadtbildverträglichkeit. Welche Zufahrtsschutzmaßnahmen genau bei Frei­luftveranstaltungen durchzuführen sind, ist jedoch nicht per Gesetz festgelegt. „Es besteht nur eine Verkehrssicherungs­pflicht, da die Absperrungen Hindernisse im Verkehrsraum darstellen“, betont der Experte. Die Haftung teilen sich i.d.R. die verschiedenen Akteure und der Hersteller.

Wichtig ist auch die DIN SPEC 91414­1. Sie befasst sich mit Anforderungen, Prüfme­ thoden und Leistungskriterien für mobile Fahrzeugsicherheitsbarrieren. Die meisten werden durch eine Anprall­, Verschie­ be­ und Manipulationsprüfung getestet, indem ein standardisiertes Prüffahrzeug ungebremst gegen sie prallt. „So kann die Widerstandsfähigkeit und Schutzwir­ kung unterschiedlicher Fahrzeug­Blockier­ Systeme miteinander verglichen werden. Entscheidungsträgern und Sicherheitsver­ antwortlichen dient dieser Standard als Orientierungshilfe. Man weiß, wie viele Tonnen Anprallgewicht ein Produkt aushält oder wie weit Splitter und Trümmer in die Tiefe fliegen. Das bedeutet für den Fach­ planer: Er kann den Schutzabstand zum Raum, in dem sich Menschen befinden, exakt einhalten“, erklärt Eichenbrenner.

Vorsicht bei eigenen Kreationen

Alternative Lösungen sind möglich, sofern sie dem Schutzziel gerecht werden. Man müsse aber bedenken, dass diese keine Tests durchlaufen haben und man nicht einschätzen könne, ob sie im Ernstfall ihrer Funktion gerecht würden. Ein einfacher Betonklotz auf einer asphaltierten Straße hätte z.B. keinerlei Schutzwirkung – im Gegenteil: Dennis Eichenbrenner berichtet davon, wie ein 7,5 t schwerer Lkw einen Betonklotz wie einen Puck beim Eishockey mit hoher Geschwindigkeit wegschleuder­te. Betonblöcke, die mit Stahlseilen ver­bunden seien, könnten seiner Meinung nach aber eine gewisse Schutzwirkung erzielen. Für Randbereiche oder Fußwege, die nicht gut anfahrbar sind, hält er eigene Konstruktionen für am ehesten umsetzbar. Über ihren Einsatz müsse aber individuell entschieden werden. Eines gilt für alle Sys­teme: Sie sollten gut sichtbar aufgestellt werden. „So haben die Barrieren auf der einen Seite eine abschreckende Wirkung für potenzielle Täter und demonstrieren den Besuchern auf der anderen Seite, dass in ihre Sicherheit investiert wurde“.

Sicherheit hat einen Preis

Diese Sicherheit gibt es aber nicht umsonst. Die Kosten für den Zufahrtsschutz hängen von der Größe und der Art der Veranstal­ tung sowie der Anzahl der Zuwege ab und variieren stark. Der Hessische Städte­ und Gemeindebund empfiehlt bei Veranstaltun­ gen mit über 15.000 erwarteten Besuchern grundsätzlich technische Sperren zur Siche­ rung der Zufahrten. Bei Veranstaltungen unterhalb dieser Schwelle sei der Zufahrts­ schutz von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Kleinere Feste oder Umzüge mit weniger als 5.000 Besuchern und ohne hohe Personendichte könnten bei einer fehlenden Gefährdungslage i.d.R. ohne Zufahrtsschutz stattfinden. Ein realistisches Ergebnis der Gefährdungs­analyse kann eben auch bedeuten, dass kein Risiko für Überfahrtaten besteht und keine weiteren Absperrmaßnahmen neben der Verkehrssicherungspflicht getroffen werden müssen. „Nach den Anschlägen muss man zwar dem aktuellen Zustand Rechnung tragen, dies darf aber nicht dazu führen, dass es zu einem Veranstaltungs­ sterben kommt. Die Konsequenz ist ja oft, dass der Zufahrtsschutz eine Veranstaltung verunmöglicht. Das kann am Ende nicht das Ziel sein“, so Dennis Eichenbrenner.

 

Der Beitrag „Sicherer Zufahrtsschutz – öffentliche Veranstaltungen absperren“ von Inga Dora Schwarzer erschien im Fachmagazin „der bauhofLeiter“ in der Ausgabe August 2025 – 15. Jahrgang.

Hier geht’s zum kompletten Beitrag

Comments (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

An den Anfang scrollen